Gender wird nun in der Gastronomie heisst diskutiert. Wie darf, soll oder muss man sprechen? Wen einstellen? Was für Toiletten bauen? Was geht? Was nicht? Ein seriöser Beitrag.
Unterschiede, Ungleichheiten, Ungerechtigkeiten: Die neue Unübersichtlichkeit
Mann, Frau, weder noch, beides, mal eher das eine, mal eher das andere. Es ist unübersichtlich geworden. Denn einerseits sollen Geschlechterunterschiede ja gerade keine Rolle mehr spielen. Und zwar insbesondere dann nicht, wenn es um - wie Soziolog*innen es nennen - die begehrten weil knappen sozialen Güter geht, also Einkommen, Prestige, Macht. Das wäre ungerecht.
Andererseits werden ausdauernd Kämpfe um die Anerkennung der jeweiligen Geschlechterspielarten geführt, also die Anrede mit passendem Personalpronomen, die Kenntnis und das Verständnis der mitunter seltenen und abseits der gesellschaftlichen Mitte gelebten Varianten von Geschlecht. Wer nicht aktiv interessiert ist, ist bei den Abkürzungen wie CIS (biologische Einstufung und Indentität stimmen überein) und anderem allerdings bereits raus. Was bedeutet das nochmal?
Und das ist gerade auch die Pointe an der ganzen Debatte: Inklusion und Exklusion. Geschlecht soll keine Rolle spielen - und doch schauen viele drauf, ja pochen auf das eigene Besondere und betonen damit den Unterschied. Auf die Unterschiede darf allerdings keine unerwünschte Ungleichbehandlung folgen, und schon gar keine ungerechtfertigten Lohnunterschiede. Kurzum: Unterschiede: Ja! Ungleichheiten: Hm, kompliziert. Ungerechtigkeiten: Nein!
In den letzten Jahren galt als sicher, dass Diskriminierung auch unbewusst erfolgt, der sogenannte unconscious bias. Demnach werden aufgrund von Stereotypen die Ambitionen und Leistungen von Frauen geringer eingeschätzt, auch wenn die Führungsperson selbst von der eigenen Neutralität und Objektivität überzeugt ist und Diskriminierung eigentlich ablehnt. Die neuere Forschung findet jedoch keine zwingenden Belege dafür, dass unbewusste Vorurteile tatsächlich zu einer Benachteiligung führen. Hier gilt also: Ungleichheit kann, muss aber nicht Diskriminierung sein. Folglich sollte nicht alles auf das Geschlecht geschoben und andere persönliche Ursachen kategorisch ausgeblendet werden.
Sex and the Carpaccio: Der Service
Frauen - und Männer - werden diskriminiert: negativ wie positiv. Während Männer die Weinkarte und den Wein zur Beurteilung gereicht bekommen, das Fleischgericht auch, erhalten Frauen den Salat und die Dessert-Karte. Ist aber nicht böse gemeint, sondern die sogenannte statistische Diskriminierung. Wenn man keine weiteren Informationen hat, dann ist der Durchschnittswert der am ehesten treffende. Kurzum: Ohne über die Vorlieben und Expertisen in Sachen Wein Bescheid zu wissen, reicht man eher dem Mann den Kelch, schliesslich sind Männer häufiger darin Kenner, Sammler und - das eben auch - Trinker.
Prost & Intuition: Das Trinkgeld
Mit den Trinker*innen ist es also so eine Sache. Mit dem Trinkgeld auch. Je schöner und attraktiver, desto mehr. Das gilt zumindest für Frauen. Blond, in den 30ern, busig, das schenkt ein in Sachen Trinkgeld.
Aber denkste: Es sind die Männer, die mehr erhalten, und zwar 20 % mehr. Und sie erhalten nicht nur mehr Trinkgeld, sie geben auch mehr. Allerdings - wie der amerikanische Ökonomieprofessor Matthew Parrett in einer Studie zeigt - sie geben eigennützig. Wenn es teuer wird, bei höheren Restaurantrechnungen, dann sind Männer eher knausrig (was auch nicht verborgen bleibt). Wenn Grosszügigkeit günstig zu haben ist, also bei kleinerer Rechnung im Cafe, dann geben Männer gern einen grösseren Anteil Trinkgeld.
Bei diesem sozialen Spiel spielen die Service-Mitarbeiter*innen freilich mit. Im Service weiss man: Schwule Männer, Alleinessende, Rendezvous - das gibt mehr Trinkgeld. Und es gibt nochmals mehr, wenn sich der Service mit Namen vorstellt, die Speise- und Getränkewahl der Gäste anerkennend lobt, den Gast diskret berührt, z.B. Hand auf den Arm, und von Hand einen Smiley auf die Rechnung kritzelt.
Gast und Service spielen also das Spiel, und wenn es zu beidseitiger Freude und Nutzen ist, dann spricht auch nichts dagegen. Unterschiede im erhaltenen Trinkgeld lassen sich ja sowieso ausgleichen, wenn das Trinkgeld erst gesammelt und dann auf alle Mitarbeiter*innen verteilt wird.
Steak holder: Die Positionen
Und da wären wir schon beim nächsten Punkt bzw. der Position. Generell arbeiten mehr Frauen als Männer in der Gastronomie. Sie verdienen jedoch im Schnitt weniger. Die Spitzenpositionen in Service und Küche werden immer noch vorwiegend von Männern besetzt. Unter den 3-Sterne-Köchen in Deutschland befindet sich keine Frau.
Freilich nicht, weil Männer besser einschenken oder -kochen können. Vielmehr, weil sich die Arbeitszeiten in der Gastronomie nicht mit Familie vereinbaren lassen, zumindest nicht, wenn man - und es sind primär die Frauen - Kinder mit Brust oder Bauklötzen “stillt”. Dazu sind Diskrimierung und ein rauher Ton immer noch zuhause in den Restaurantküchen, wie Madeleine Jakits, Herausgeberin “Der Feinschmecker”, im Deutschlandfunk erläutert.
Dennoch Vorsicht mit Vorurteilen. Denn auch für Männer gilt: Sie bezahlen einen Karriereschritt oft teuer mit einer Randstellung in Privatleben und Familie. Der Preis einer Babypause oder eben eines Verzichts darauf wird erst in der Zukunft bestimmt, z.B. in Form einer geringeren Rente, der geringere Nähe zu den Kindern oder dem Ende einer Beziehung.
Leistung muss man sich leisten können: Die Beförderung
Die Beförderung von Mitarbeiter*innen rein nach Leistung oder nicht? Grundsätzlich sollte es so sein: wer gut ist, soll aufsteigen. Dafür muss allerdings gewährleistet sein, dass jede/r auch den Rahmen vorfindet, um gut sein zu können. Hier müssen Gastronom*innen also die Bedingungen schaffen, dass die Mitarbeiter*innen ihr Potential entfalten können, welches Geschlecht auch immer sie haben, ob Kinder oder nicht.
Solange sich erstens die Geschlechter unterscheiden und zweitens ungleich auf die Positionen verteilen, Männer oben, Frauen unten, solange besteht die Gefahr, dass das Geschlecht die Positionen in Betrieb prägt - und solange werden auch geschlechtsspezifische Anforderung mit den Positionen einhergehen. Spitzenpositionen sind also männlich geprägt, sogenannte weibliche Eigenschaften und damit Frauen weniger gefragt (ganz unabhängig, wie sie sich im Einzelnen tatsächlich verhalten).
Diversität in der Unternehmenskultur führt zu mehr Diversität in der Besetzung von Positionen. Und damit kommen eben auch mehr exzellente Kandidat*innen für eine Positionen in Frage. Es gewinnt also nicht nur ein Grossteil der Mitarbeiter*innen, die mehr Chancen haben. Es gewinnen auch die Gastronom*innen, die eine grössere Auswahl an Top-Kandidat*innen für offene Stellen vorfinden.
Und wie handhabst du das?
Stimme hier ab und sehe, wie andere Gastronom*innen mit dem Thema Gender umgehen, wenn sie neues Personal einstellen.
Sterne sehen: Die Sprache
Heiss läuft die Debatte, wenn es um Sprache geht. Für alles muss ein Begriff her. Bezeichnungen haben jedoch einen Nebeneffekt. Sie trennen. Sobald - wie hier - mehrfach von Frauen und Männern die Rede ist, wird also der Unterschied zwischen beiden betont. Auch wo von Besucherinnen und Besuchern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Rede ist, sind zwar alle gemeint. Der Unterschied wird jedoch am Leben gehalten. Zwei Begriffe = zwei Gruppen. Den einen sind das schon zu viele, den anderen noch zu wenige.
Ein Ausweg ist die Geschlechter in einer Bezeichnung zusammenzuführen. Statt Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (immerhin!), bieten sich also die Lösungen "Mitarbeitende" oder eben die Gender-Sternchen "Mitarbeiter*innen" an. So handhaben wir dies - und so kommt das insgesamt auch gut an. Wer beispielsweise in Stellenausschreibungen auf eine genderneutrale Sprache setzt, der erhält 42 % mehr Bewerbungen.
In der persönlichen Kommunikation oder beim automatischen Versand von Newslettern und Bestätigungsmails ist selbstredend das passende Geschlecht zu verwenden oder - sofern keines treffend - wegzulassen. Auch das lässt sich heute mit den richtigen Reservierungs- und Newslettersystemen automatisch umsetzen.
Und darüber hinaus ist sowieso Gelassenheit statt Konflikt angesagt: Oft werden sprachliche Forderungen ja abgeschmettert mit dem Argument, das ganze Gendern sei überhaupt nicht wichtig. Wenn es allerdings um nicht viel geht und man selbst die Begriffe für nicht wichtig hält, sollten es einem dann selbst nicht egal sein, welche Begriffe es dann sind? Statt auf dem Status quo zu beharren könnt man ja auch einfach die Begriffe übernehmen, die anderen wichtig sind.
Besser mit Brille: Die Toiletten
Hoch geht es auch bei der Diskussion um die Toiletten her. Für jedes Geschlecht eine Toilette oder eine Toilette für alle? Gewiss ist nur, gemeinsame Toiletten-Räume mit mehreren Kabinen und Pissoirs sind für die meisten - nicht alle! - Zielgruppen eher ungeeignet. Zu häufig hat es dort schlechte Erfahrung bis hin zu Belästigungen gegeben, und oft genug wollen manche Geschlechter-Grüppchen auch unter sich sein - oder wenigsten nicht mit bestimmten anderen.
Allen gerecht wird man also nur mit separat zugänglichen Einzeltoiletten, und zwar für Mitarbeiter*innen genauso wie für die Gäste. Nur: In den wenigsten Restaurants ist das auf anhieb oder überhaupt möglich. Viel ist jedoch schon gewonnen, wenn man auf sensible Gäste und Situationen vorbereitet ist und mit Feingefühl und Verständnis auf deren Situation eingeht, aber auch auf die eigenen Möglichkeiten verweist. Gut Reden ist in dem Fall Gold, wenn eine Positionierung statt Schweigen gefordert wird.
König Kunde & Fidel Gastro: Das Spiel der Geschlechter
Gastronomie ist Kultur, Genuss, Vorzugsbehandlung. Aber eben auch Lust und Rausch. Die Gäste werden verwöhnt, essen, trinken, feiern Erfolge, spülen Niederlagen runter. Und Gastronom*innen sind ja auch nicht bekannt für ihre Traurigkeit. Deshalb arbeiten sie ja auch in diesem Bereich mit persönlichem Kontakt, Sinnesfreuden und Fleisches(ersatz)lust.
Je länger der Abend, desto wagemutiger, lässiger aber auch lästiger kann es werden. Und wieder kommt das Geschlecht ins Spiel und das Spiel mit dem Geschlecht.
Während die einen es schätzen, wenn es persönlicher statt förmlich zugeht, verwechseln andere einen zugeneigten Service mit einem privaten Flirt. Und da im Service deutlich mehr Frauen auftischen, sind es unter den Gästen deutlich mehr Männer, die dick auftragen. Werden Herren im Anzug anzüglich - klimpern Mitarbeiterinnen mit Lidern, auf dass die Kasse klingelt. Und der schöne Moment dieses Spiels, wo sich alle rundum wohlfühlen, ist eben ein schmaler Grat (den gute Service-Mitarbeiter*innen souverän meistern) zwischen den slippery slopes des unpersönlich-kühlen Services auf der einen Seite, und des unerwünscht nahen auf der anderen.
Komplex der Komplexe: Das Vorgehen
Unterschiede sind ok, sehr sogar, bei den Gästen und bei den Mitarbeiter*innen, also auch die zwischen den Geschlechtern. Wenn allerdings eine ungleiche Behandlung aufgrund von nicht leistungs- oder verhaltensbezogenen Unterschieden erfolgt, z.B. weniger Trinkgeld oder Lohn, dann ist es eine systematische Benachteiligung aufgrund von Geschlecht, also ungerecht bzw. diskriminierend, und damit nicht ok.
Augenmass: Fair zu allen
Allerdings ist auch die Bevorzugung von Frauen, z.B. bei gleicher Leistung oder an sich diskriminierend. Die positive Diskriminierung mag historisch geboten sein um bestehende Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen auszugleichen. Wer Frauen positiv diskriminiert, diskriminiert Männer gleichzeitig negativ. Innerhalb von Teams kann das schnell Unzufriedenheit stiften. Nicht schön. Beförderungen sollten also immer auch mit Leistung begründet werden können.
Verständnis
Auf alle Bedürfnisse kann nicht überall und jederzeit eingegangen werden. Wer also nicht genug Toiletten für alle verschiedenen Geschlechter anbieten kann, diskriminiert damit nicht unbedingt ein Geschlecht. Es fehlen schlicht die Möglichkeiten. Deshalb ist ein respektvoller Umgang in jedem Fall wichtig. Denn so werden Ungleichheiten eher akzeptiert und verstanden, und nicht mehr als Ungerechtigkeiten wahrgenommen.
Der Mensch ist keine Kategorie
Zudem gilt. Je unübersichtlicher und weniger klar die Unterschiede zwischen Geschlechtern sind, desto weniger funktioniert statistische Diskriminierung. Mit anderen Worten: Nur weil es ein Mann ist, heisst das längst nicht mehr, dass er das Fleischgericht bekommt. Die Lösung ist einfach. Bei der Bestellung oder beim Servieren einfach nachfragen - oder bereits vorhandene Informationen der Gäste-Daten aus Reservierungssystemen wie aleno nutzen, z.B. Vorlieben, Nahrungspräferenz und -unverträglichkeiten usw.. Persönlicher Service - jede und jeder soll sich wohlfühlen. Und wer fragt, gewinnt: Denn er/sie/es weiss dann, wie er den Gast glücklich machen kann.
Das interessiert auch meine Freunde!
Übrigens: Gender hin oder her, jeder Gast ist wichtig und willkommen, umso mehr wo wieder alles offen und einiges nachzuholen ist. Wie man jetzt als Gastronom*in wieder aufleben, Gastfreundschaft ausleben und seine Betriebe aufblühen lassen kann, haben wir in unserem neuen eBook zusammengestellt:
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