Kaum jemand hat die Gastronomie- und Hotelleriebranche im deutschsprachigen Raum so nachhaltig geprägt wie Jürgen Pichler. Als Gründer und Herausgeber von ROLLING PIN hat er ein führendes Fachmagazin aufgebaut. Im Interview mit aleno spricht er über den Beginn der Erfolgstory – und warum Digitalisierung, moderne Arbeitsmodelle und ein starkes Konzept entscheidend für die Zukunft der Gastronomie sind.
Die Internorga steht vor der Türe und ihr seid dort mit Rolling Pin auch vertreten - und zwar am Stand von Freakstotable. Was ist der Grund dafür?
Jürgen Pichler: Weil gleich und gleich sich nun mal gerne gesellt. Freakstotable und wir haben den gleichen Sound. Immer auf der Suche nach dem Außergewöhnlichen. Ihr seid meines Wissens nach ebenfalls am Freakstotable-Stand dabei...
Ja, weil wir Außergewöhnliches bieten wollen 😊 So wie ihr mit dem Magazin auch. Wie hat das eigentlich alles angefangen mit Rolling Pin?
Ganz banal, in Anführungszeichen. Ich habe ja eine Ausbildung als Restaurantfachmann. Nach einigen Jahren in der internationalen Gastronomie bin dann zu einem großen Versicherungskonzern gegangen und hatte aber dieses Gefühl: Konzernkarriere ist nett, aber ich will irgendetwas anderes machen.
Eines Abends beim Essen mit meinem Freund Harry kamen wir auf die Idee: Es fehlt ein gutes Magazin und Jobportal für die Gastronomie. Wir haben dann bei einer Flasche Wein diskutiert: Braucht es das wirklich? Trauen wir uns das zu? Die Antwort war ja. Also haben wir es einfach gemacht – heute würde man Startup dazu sagen. Anfangs lief das neben unseren Jobs, unser erstes Büro war ein Kellerraum in einem Wohnhaus. Lustigerweise war es auch der Waschkeller, sodass die Bewohner mitten durch unser „Büro“ gingen, um ihre Wäsche zu waschen. So hat alles angefangen.
Kurzer Hinweis:
Heul doch… oder mach was – damit das Restaurant sich wieder lohnt
An der INTERNORGA in Hamburg zeigen wir, wie man mit datenbasierten Entscheidungen, innovativen Konzepten und mit Unterstützung von KI Restaurants deutlich profitabler werden.

Apropos Job-Portal: Der Personalmangel ist immer noch eines der grössten Probleme in der Gastronomie und Hotellerie. Wie lässt sich dieses lösen?
Es hat sich schon sehr viel geändert in der Zeit seit dem Lockdown. In der Gastronomie und der Hotellerie werden mittlerweile recht gute Löhne bezahlt. Und viele Betriebe haben auch erkannt, dass sie andere Arbeitszeitmodelle brauchen und haben da auch schon deutlich nachgebessert. Christoph Hofmann, Mitgründer der 25Hours Hotels, ist ein guter Freund von mir. Er hat schon vor mehreren Jahren eine Vier-Tage-Woche ausgerufen. Mit dem Ergebnis, dass sie jeden Monat über 200 Bewerbungen erhalten. Die Leute sind also da. Sie orientieren sich aber halt daran, wo sie am meisten für sich herausholen. Und dabei steht keinesfalls das Finanzielle immer an erster Stelle. Arbeitszeiten, Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten sind mindestens genauso wichtig. Deshalb ist HR eines der zentralen Themen der Zukunft.
Neben Personal, welche sind sonst die größten Herausforderungen für die Gastronomie?
Die Lebensmittelpreise, Energiepreise und auch Digitalisierung. Vor allem in letzterem liegt auch gleichzeitig die Lösung für viele Probleme. Die Frage ist doch: Wie kannst du Verwaltungsarbeit reduzieren und wie kann man Abläufe so optimieren, dass man mit weniger Leuten den gleichen Output erzielt. Da muss man wirklich radikal denken.
Inwieweit helfen digitale Tools dabei ganz konkret?
Sie bieten die Möglichkeit, wirklich konkurrenzfähig zu sein. Ob das jetzt Reservierungssystem ist, das mir zeigt, wie es um die Auslastung des Restaurants steht, eine Übersicht über den Lager- und Bestellstand oder ein Abrechnungssystem. Man muss ja wissen, was verkauft sich und was verkauft sich nicht? Das ist das A und O und da hat die Gastronomie lange Zeit geschlafen.
Und die Digitalisierung ändert sich das?
Ja, digitale Werkzeuge liefern heute alle diese Kennzahlen und das sogar noch automatisch aufs Handy. Das ist wichtig, damit du führen kannst. In der Hinsicht haben Restaurantbetreiber und Piloten eines gemeinsam: Wenn du im Nebel fliegst, musst du genau wissen, wo du bist. Ansonsten knallst du gegen den nächsten Berg. Wer jetzt nicht umfassend auf Digitalisierung setzt, braucht sich keine Gedanken über die Zukunft zu machen, weil er keine Zukunft haben wird.
Thema No-Show-Gebühren – würdest du Restaurants empfehlen, diese einzusetzen?
Die müssen es! Und die Gäste sind bereit dafür. Ich sage dir auch, warum. Wir reisen ja fast alle umher und wir alle haben nie ein Problem damit, wenn wir in Amerika, in England, in Frankreich, Dänemark oder wo auch immer bei der Reservierung nach der Kreditkarte gefragt werden für mögliche No-Show-Gebühren. Oder wenn wir gar im Vorfeld ein Ticket kaufen müssen, also ein komplettes Menü im Restaurant samt Getränken vorbestellen und bezahlen müssen, um einen Sitzplatz zu erhalten.
Das ist im DACH-Raum noch anders...
Ja, im deutschsprachigen Raum haben die Gastronomen das Gefühl „Das können wir dem Gast doch nicht zumuten.“ Das ist Quatsch. Klar, man muss es gut erklären, dann aber auch beinhart durchziehen. Und dann werden auch bald keine Gäste mehr denken „Ich reserviere mal und dann schaue ich, ob ich komme oder nicht.“ Ich sage: Habt die Eier und setzt das durch. Dann ist dieses No-Show-Thema schnell gelöst.
Bis zu welchem Grad nutzen Restaurants die Möglichkeiten der Digitalisierung deiner Einschätzung nach heute?
Definitiv noch viel zu wenig. Irgendwie gibt es da bei vielen immer noch eine Hemmschwelle. Dabei gibt es so einfache Tools wie eures, den digitalen Assistenten aleno. Das versteht doch wirklich jeder. Und trotzdem setzen viele immer noch auf Reservierungssysteme, die kaum Möglichkeiten bieten für Individualisierung.
Ja, das stimmt - mit der KI-basierten Tischzuweisung ist das möglich. Aber nochmal ganz grundsätzlich: Wie steht es um die Digitalisierung in der Gastronomie?
Ich glaube, maximal 20 Prozent aller Restaurants schöpft aktuell wirklich die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten aus. Interessanterweise sind das in aller Regel die erfolgreichsten. Bei allen anderen besteht enorm viel Potenzial. Das bietet ja auch die Chance, dass sich das Personal auf das Wesentliche konzentrieren kann. Das nützt dem Restaurant und das nützt vor allem den Gästen.
Was ist das Beeindruckendste, was dir in den Sinn kommt, beim Stichwort Digitalisierung im Restaurant-Business.
Für mich ist es die Möglichkeit, maximal persönlichen und individuellen Service zu bieten. Bei manchen Restaurants reserviere ich und fertig. Die wissen eigentlich gar nichts von mir. Da weiß ich, das wird auch kein persönliches Erlebnis. Bei anderen startet mit der Reservierung ein richtiger Dialog. Und dann fangen die an, sich mit meinen Vorlieben zu beschäftigen und warum ich ins Restaurant komme. Die fragen, ob es einen bestimmten Anlass gibt, warum ich das Restaurant besuche. Welche kulinarischen Vorlieben ich habe etc. Ein gutes System ermöglicht dir, dich auf den Gast vorzubereiten und dass du auch mehr Zeit hast für ihn oder sie. Digitalisierung ermöglicht also, dass der Gast nicht nur ein Essen kriegt und satt wird, sondern dass der Restaurantbesuch ein persönliches Erlebnis wird. Das finde ich beeindruckend und stark.
Wird das individuelle Erlebnis in Zukunft noch wichtiger?
Ja. Ich glaube, dass du dem Gast noch viel mehr Erlebnis bieten musst, damit du in Zukunft erfolgreich sein kannst. Und das gilt nicht nur für Sterne-Restaurants. Auch wenn du eine Burger-Bude hast oder ein Fischrestaurant mit einer leckeren Fischsuppe – was auch immer. Dann wird die Frage sein: Wie schaffst du es, das im Gesamten erlebbar zu machen? Denn auch, wenn du einfach Lust hast auf ein Steak, wirst du am Ende in einen Steak-Laden gehen, in dem das richtig toll zelebriert wird. Deshalb: Die Wald-und-Wiesen-Ich-mache-alles-Restaurants werden sterben. Du musst für etwas stehen und das auf allen Ebenen zelebrieren. Du brauchst ein Konzept, das Spass macht. Denn die Leute wollen Spass beim essen. Da gehört ein Gesamterlebnis dazu. Dafür brauchst du aber Zeit. Und das kriegst du – um jetzt die Brücke zu schlagen – mit einer guten Digitalisierung hin. Sie verschafft dir Zeit und sorgt dafür, dass du deine Gäste besser kennst.
Du besuchst viele gastronomische Betriebe – welches ist dein Lieblingsrestaurant?
Also mein Besuch im Alchemist in Kopenhagen, das war wirklich ein Gänsehaut-Erlebnis. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Ich war fassungslos. Meine Frau hat gesagt, so hat sie mich noch nie erlebt. Ich möchte nichts spoilern. Das muss man sowieso selbst erlebt haben.
Welche Frage würdest du als Journalist dem Jürgen Pichler stellen?
(lacht). Gute Frage! Hm, ich würde fragen: Wie lange willst du das mit Rolling Pin noch machen? Ich mache das jetzt mehr als 20 Jahre. Und wir erhalten immer wieder Angebote, ob wir verkaufen und so weiter. Aber ich mache das, solange es mir Spaß macht und wir echt etwas bewegen können. Damit sind wir angetreten ganz am Anfang im Keller-Büro. Wir wollten die Gastronomie sexy machen. Und wir wollten die Gastro-Berufe zeitgemäß darstellen. Und das Feedback zeigt: Wir haben das geschafft. Und schaffen das immer noch.
Dazu braucht es ein hochmotiviertes Team und auch Partner wie euch – Partner der Gastronomie. Die mit viel Herzblut diese Branche besser machen wollen. Vielen Dank, dass es euch gibt.
Vielen Dank für dieses spannende Interview. Hat sehr viel Spaß gemacht. Und vielen Dank an das ganze Rolling-Pin-Team für die tolle Arbeit! And CU at the INTERNORGA 🤗
Zur Person
Jürgen Pichler ist Gründer und Herausgeber des Fachmagazins ROLLING PIN, einer der führenden Publikationen für die Gastronomie- und Hotellerie-Branche im deutschsprachigen Raum. Mit seiner langjährigen Erfahrung und Leidenschaft für die Branche hat er ROLLING PIN von einem kleinen Start-up zu einer der wichtigsten Plattformen für Fachkräfte, Entscheidungsträger und Trendsetter entwickelt. Neben dem Magazin betreibt er auch Networking-Events wie die ROLLING PIN.Convention und Branchen-Awards, die herausragende Persönlichkeiten und Innovationen auszeichnen. Sein Ziel ist es, mit seinen Medien- und Eventformaten die Branche zu inspirieren, zu vernetzen und weiterzuentwickeln.